Erinnerung an Ruth Golan-Zareh

Wie es dazu kam, dass ich heute über Ruth Golan-Zareh schreibe:
Ich wollte an dieser Stelle über die Familie Ehrmann schreiben, in unserem Abteilungsgebiet gibt es zwei Stolpersteine für Benno und Helene Ehrmann, die 1942 nach Theresienstadt deportiert worden sind und ermordet wurden. Ihre Söhne haben den Holocaust überlebt und ich habe versucht, mehr über sie zu erfahren.
So bin ich auf den Namen Ruth Golan-Ehrmann gestoßen und habe Kontakt zu Kay Zareh (den Ehemann von Ruth Golan-Zareh) bekommen.

Herr Zareh hat mir die Geschichte der Familie seiner Frau geschildert, so habe ich erfahren, dass es zwar keine Verbindung zur Familie Ehrmann gibt, aber ich fand, dass das Leben von Ruth Golan-Zareh und Ihrer Familie es wert ist, darüber zu berichten.

Ruth Golan-Zareh wurde am 06.01.1944 in Jerusalem geboren, ihr Vater hieß Leo Goldstein und entstammte einer kinderreichen Familie aus Delatin, die Stadt wurde nach dem 2.Weltkrieg der Ukraine zugeschlagen.
Ihr Vater schaffte es, beim Abtransport vom Zug zu springen, um mit einem uralten Kahn ins damalige Palästina zu fahren.

Die Mutter von Ruth Golan-Zareh, Viti Münz, entstammte einer links orientierten Familie aus der Greifswalderstrasse im Prenzlauer Berg, die sich schon sehr bald einer zionistischen Jugendbewegung anschloss, um 1928 oder 1929 in die spätere Heimat auszuwandern, um das Land mit aufzubauen.
Ihr Bruder ging als Idealist nach Moskau, ebenfalls um den Aufbau des Sozialismus nicht zu verpassen, wo er von den Stalinisten umgebracht wurde.

Ruth Golan-Zareh zog 1965 nach Deutschland und studierte an der TU von 1966 bis 1972 Architektur und von 1984 bis 1986 Landschaftsplanung.
1972 gründete sie zusammen mit ihrem Mann Kay Zareh ihr eigenes Architekturbüro. Einige ihrer Arbeiten:

1988 wurde das „Mahnmal für die deportierten und ermordeten Spandauer Juden“ nach dem Entwurf von Ruth Golan-Zareh und Kay Zareh errichtet und 2012 um eine Mauer aus Ziegelsteinen erweitert, auf denen die Namen der deportierten und ermordeten Spandauer Juden verzeichnet sind.

Auf dem „Jüdischen Friedhof Schönhauser Allee“ wurde nach den Plänen von Ruth Golan-Zareh und Kay Zareh das „ Lapidarium“ errichtet. Man konnte nach den Restaurierungsmassnahmen des Friedhofs nicht alle der zum Teil stark verwitterten Steine einem bestimmten Grab zuordnen. So wurde das „Lapidarium“ errichtet, um ihnen einen würdigen „Ort der Bewahrung“ zu geben. Es enthält mehr als 60 Grabsteine aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert sowie Schautafeln über jüdische Friedhofskultur und jüdische Trauerrituale.

Die Synagoge in der Rykestraße, die mit nun 1200 Sitzplätzen einer der größten Synagogen Europas ist, wurde nach den Plänen von Ruth Golan-Zareh und Kay Zareh restauriert und 2007 feierlich wieder eröffnet.
Die Restaurierung glich einer Detektivarbeit, da eine Einweihungsschrift das einzige Puzzleteil war, das Auskunft über die ursprüngliche Gestaltung der Synagoge gab, drei alte Schwarzweißfotos mussten genügen, um den ursprünglichen Zustand zu erahnen.

Auf der internationalen Bauaustellung präsentierte Ruth Golan-Zareh 1984 eine Broschüre, in der sie für ein kibbuzähnliches Zusammenleben plädierte, gemeinschaftliches Wohnen, gemeinschaftliche Kinderbetreuung, eine Großküche für alle Bewohnerinnen und eine Bibliothek, die den Zugang zu Wissen für alle Bewohnerinnen ermöglichen sollte.
Ihre Ideen trafen nicht auf viel Resonanz, wir sind leider heute auch, bis auf wenige Ausnahmen, noch nicht für diese Art des Zusammenlebens bereit – schade.

Kay Zareh sagt über seine Frau: „ Ruthi war eine ausgesprochen starke Persönlichkeit, die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging und wegen ihres geraden Charakters auch überall aneckte“.

Ruth Golan-Zareh starb am 25.05.2012.

Eine Frau, die fehlt und eine von den Frauen, von denen wir mehr bräuchten.

Foto Synagoge Rykestrasse, 2008
© Anna Fischer

Foto Ruth Golan-Zareh, 1973
© Kay Zareh